Die Konfirmation

Die Konfirmation

Im Innern berührt und gestärkt werden

Mit der Pubertät kommt die Seele vollständig auf der Erde an. Äußerlich zeigt sich das zum Beispiel dadurch, dass die Stimme tiefer wird. Innerlich kann man erleben, dass die Ver­ant­wort­ung für das eigene Schicksal be­ginnt, für die Aufgaben, die einem im Leben begegnen werden. Die Seele, die beim kleinen Kind noch völlig offen war, beginnt ei­gen­ständig zu werden und sich nach außen abzugrenzen.

In allen Kulturen gab es bei dem Schritt ins Ju­gend­alter eine religiöse Handlung, eine „Ini­tia­tion“. Diese hatte immer den Sinn, zu der natürlichen Abgrenzung der Seele spirituell etwas hinzu­zu­fügen. Wenn die Begrenzung nach außen nicht zur Isolation führen soll, muss eine „Kon­firma­tion“, eine Stär­kung nach innen hinzukommen.

Wie sieht eine solche Handlung im Christentum und insbesondere in der Christengemeinschaft aus?

Taufe als Vorstufe der Konfirmation

Die Seele des kleinen Kindes hat noch keinen ganz ei­genen „Innenraum“. Das Kind wird un­ruhig, wenn die Menschen drumherum un­ruhig sind, es kann zur Ruhe kommen, wenn die An­deren in­ner­lich zur Ruhe kommen. Seine Stim­mung hängt noch stark von der Um­­gebung ab. Auch die geis­ti­gen Kräf­te wirken noch stark aus der Um­ge­bung. In der Taufe, der ersten reli­giö­sen Hand­lung, ge­schieht deshalb die Be­rühr­ung mit Christus noch nicht innerlich (im Abendmahl mit Brot und Wein), sondern das Kind wird von auß­en mit ge­weihten Substanzen be­rührt. Da­durch wird die Ver­bin­dung des Kin­des zu Christus auf der Erde ver­an­lagt.

Im frühen Chris­ten­­tum war die Erwach­sen­en­taufe üblich. Dort gehörte die Taufe „von außen“ (damals das Untertauchen im Wasser) und die Tau­fe „von In­nen“ (das ers­te Abend­mahl) zusammen. Beim Kind kommt dieser zwei­te Schritt erst mit der Pu­ber­tät, wenn ein see­lisch­er Innenraum entstanden ist, in dem diese in­nere Berührung stattfinden kann.

Seelische Eigenständigkeit und Gemeinschaft

Die Abgrenzung der See­le von der Umwelt kommt mit der Pubertät zu einem radikalen Hö­hepunkt. An der Zimmertür stehen Sätze wie „Betreten verboten“, per­sön­liche Fragen an das heranwachsende Kind wer­­den rup­pig zu­rück­ge­wie­sen oder mit un­durch­dringlichem Schwei­gen be­antwortet. Es bil­det sich ein zer­brech­licher see­lischer In­nen­raum, der nicht mehr offen ist wie beim Neu­ge­bor­enen.

Die Initiations-Ritu­ale der alten Religionen hat­ten den Sinn, die­se Abgeschlossenheit auf­zubrechen und so das Kind in die Ge­mein­schaft der Erwachsenen zu in­te­grier­en. Das geschah zum Teil durch die Erfahrung star­ker kör­­per­lich­er Schmerzen und To­desnähe. Der ini­ti­ierte Jugendliche erlangte dadurch be­stimm­te geis­ti­ge Fähig­kei­ten. In sei­ner See­le wurde er da­durch aber in erster Linie Teil sei­nes Stam­mes. Es gab kei­ne Ein­samkeit mehr, aber auch keine wirkliche seelische Ei­gen­stän­dig­keit.

Als Ergänzung zur seelischen Abgrenzung des Jugendlichen gibt es auch im Christentum eine Initiation: die Konfirmation. Hier geht es aber nicht darum, die Einzig­ar­tig­keit eines Men­­schen auszulöschen zugunsten einer Grup­pe. Hier wird ein ganz anderer Weg be­schrit­­ten: Der Innenraum wird gestärkt.

Den Innenraum bereichern, ohne ihn zu verletzen

Jeder Mensch hat seinen eigenen Namen, mit dem er sich von den Anderen unterscheiden kann. Unser wahrer Name aber ist so per­sön­lich, dass wir ihn nur selbst aus­sprechen kön­nen. Dieser Name heißt: Ich.

„Ich“ ist aber auch der Name, mit dem Christus im Johannes-Evangelium sich selbst beschreibt. Wenn er sagt: „Ich bin das Brot des Lebens“, „Ich bin der gute Hirte“ , oder auf die Frage, wer er sei, die schlichte Ant­wort gibt: „Ich bin“, dann ist im griechischen Originaltext das „Ich“ stark betont. Sein geis­ti­ger Name lautet wie bei uns „Ich“.

Was auf der einen Seite unser Aller­per­sön­lichstes ist, ist auf der anderen Seite das, was uns mit allen Menschen verbindet – auch mit Christus, der selbst Mensch geworden ist. In der Konfirmation wird diese Verbindung be­wusst gestärkt. Christus tritt freilassend zu die­sem Inn­ers­ten des Jugend­lich­en hinzu. Er überlagert seine Einzigartigkeit nicht, sondern macht ihn so stark in sich, dass er nicht nur ein­sei­tig egoistisch, sondern wieder gemein­schafts­fähig werden kann.

Das geschieht nicht nur sym­bolisch. Durch das Abend­mahl von Brot und Wein berührt die­se Ver­bin­dung den Men­schen sogar bis in den Leib.

Das Mahl von Brot und Wein – das eigene Schicksal mit Christus verbinden

In der Konfirmation, die eingegliedert ist in die Menschenweihehandlung, vollzieht sich die Wand­lung des Weines (in der Chris­ten­ge­mein­­schaft un­ver­go­r­ener Trau­ben­saft) und des Bro­tes. Christus verwandelt sie in sein Blut und seinen Leib. Wie kann man das ver­ste­­hen?

Wenn man es äußerlich materiell meint, wird es ei­gent­lich ma­­kaber; wenn man es rein sym­bo­lisch erlebt, wird es völlig sub­jek­tiv und da­mit be­deu­tungslos. Es lässt sich aber aus der ei­gen­­en, menschlichen Erfahrung ver­ste­hen:

Mein eigener Leib ist ja nur deshalb mein Leib, weil gerade ich darin lebe, „drinstecke“, exis­ten­tiell damit verbunden bin. Sobald ich ster­be und diesen Kör­per verlasse, hört er auf, mein Leib zu sein. Chris­tus ver­bin­det sich so tief und existentiell mit Brot und Wein, dass er sa­gen kann: „Dies ist mein Leib und mein Blut“.

Mit dieser Substanz verbinden sich die Kin­der, die nun Jugendliche werden. Die Per­sön­lich­keit, die ihr ganz eigenes Schick­sal lebt, ver­bindet sich mit dem Wesen, das das Schick­sal der ganzen Men­schheit trägt und­ begleitet. Christus wird zum inneren Halt. Er be­stimmt die Seele nicht, son­dern stärkt sie in ihren ei­gen­en Zielen. In­so­fern lässt er den Menschen sogar frei, sich spä­ter religiös anders zu orientieren. Die Ver­bin­­dung mit Christus be­deu­tet immer: innere Stärkung und voll­stän­di­ge innere Freiheit.

Beginn der eigenen Biografie und die neue Beziehung zum Sterben

Bis zur Pubertät ist das Kind noch nicht voll­ständig auf der Erde und in sei­nem Leib an­ge­kom­men. Dadurch hat es auch noch ein ganz anderes Verhältnis zum Ster­­­ben. Der Tod be­deu­tet, einfach wieder zu­rück­zu­ge­hen in die geistige Heimat. Er ist – sofern es dem Kind nicht anders eingeredet wird – noch keine Be­drohung, sondern ein Über­gang, eine Rück­kehr.

Mit der Pubertät, der Ankunft auf der Erde, ver­ändert sich dieses Verhältnis. Die Ver­ant­wor­tung für das eigene Schicksal beginnt, und der Leib wird nun mit aller Konsequenz die Hei­mat der Seele. Damit ist auch das Sterben nicht mehr einfach ein Übergang, sondern wird zu einem Weg, ei­nem Durchgang. Auf diese Ver­änderung wird in der Konfirmation hin­ge­wie­sen: Chris­tus wird als Begleiter durch die Bio­gra­fie in „Freuden und Leiden“ an­ge­sproch­en, aber auch als der Fürsprecher im Todes­au­gen­blick. Im Bilde tritt diese Ver­än­derung in Erscheinung, wenn der Priester sich beim Altar umkleidet und der schwarze Talar, das unterste Ge­­wand, für einen Moment ganz sicht­bar wird.

Konfirmandenunterricht und Sonntagshandlung für Kinder

Die Konfirmation, auf die die Kinder mit vier­zehn Jahren zugehen, wäre ohne Übung und Vor­bereitung als rituelles Ereignis eine Über­forderung. Einen Teil dieser Vorbereitung auf die Konfir­mation kann der Un­ter­richt leis­ten, in dem die Kinder nicht bloß Wis­sen ver­mit­telt bekommen, sondern see­lisch auf das Er­eignis eingestimmt werden. Auch der beste Unterricht kann aber nie die re­li­giöse Tätigkeit, das gemeinsame Gebet vor dem Altar erset­zen.

In der Sonntagshandlung bekommen die Kinder die beste Vorbereitung auf die Konfir­ma­tion. Sie bekommen ein selbstver­ständ­­liches, unbefangenes Verhältnis zur Stille, zu einem Ritual und zur Begegnung mit dem Priester vor dem Altar.

Text: Claudio Holland